„Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass das Thema Sozialstaat kein wichtiges sei“, begrüßte Dr. Thomas Rink, Bundestagskandidat für den Wahlkreis Bruchsal-Schwetzingen der Grünen die zahlreichen Besucherinnen und Besucher in der Hockenheimer Stadthalle. Aber es ist ein Thema, das nur auf den ersten Blick unumstritten ist: „Fehlinformationen, die in den Medien zu Sozialleistungen gestreut werden, setzen unseren Sozialstaat massiv unter Druck“, so Rink weiter. Nur folgerichtig sei darum der gewählte Titel der Veranstaltung „Sozialstaat unter Druck“, zu der Rink die Bundestagsabgeordnete Stephanie Aeffner eingeladen hatte.
Die Sozialpolitikerin setzt sich seit Jahrzehnten in verschiedenen Bereichen für soziale Gerechtigkeit und gesellschaftlichen Zusammenhalt ein. Sie kämpft dafür, dass dieses Land wieder zu einem Chancenland für alle wird. Auch für diejenigen, die nicht die leichtesten Startbedingungen haben. „In einer Zeit, in der Stimmen lauter werden, Sozialleistungen mit bewussten Falschmeldungen zu reduzieren, müssen wir dagegenhalten“, leitete Rink zum einleitenden Vortrag von Stephanie Aeffner über.
Die Abgeordnete hatte zahlreiche Aussagen mitgebracht, die in der laufenden Debatte regelmäßig vorgebracht werden, aber bloße Fehlinformationen sind. Zum Beispiel die Aussage, dass Menschen im Bürgergeldbezug mehr Geld zur Verfügung hätten als Menschen, die arbeiten. „Das Gegenteil ist der Fall“, so Aeffner, „Denn wer arbeitet, hat immer mehr Geld als Menschen, die Bürgergeld beziehen.“ Fachlich versiert rechnete Aeffner vor, dass eine vierköpfige Familie, in der ein Elternteil arbeitet und das andere Elternteil die Kinder betreut, rund 1.300 Euro mehr pro Monat zur Verfügung hat. „Arbeit lohnt sich. Und Menschen wollen arbeiten. Aber sie wollen auch ein Einkommen, von dem sie leben können“, erklärte Stephanie Aeffner. Härtere Sanktionen dagegen führen langfristig zu schlechter bezahlten Jobs und häufigerer Arbeitslosigkeit. Das helfe weder den Menschen noch den Unternehmen im Land, die v.a. Fachkräfte suchen.
Ein weiteres Beispiel betraf die Menschen, die vor Putins Krieg aus der Ukraine nach Deutschland geflohen sind. Diese Menschen kommen wegen des brutalen Kriegs, nicht wegen des Bürgergeldes nach Deutschland. „Im Verhältnis zur Bevölkerung liegt Deutschland in Europa bei der Aufnahme auf Platz Neun“. Die Höhe von Sozialleistungen, in diesem Fall das Bürgergeld, sei also nicht entscheidend dafür, wohin Menschen fliehen.
Das treffe auch auf andere Geflüchtete zu, die sich und ihren Kindern eine Existenz aufbauen wollen. Und das tun sie, wie Aeffner an Zahlen belegen konnte: Von den Männern, die 2015 aus Syrien nach Deutschland geflohen sind, haben 86 Prozent eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen. „Ihr Anteil an der arbeitenden Bevölkerung liegt damit sogar über dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung.“ Und auch unser Gesundheitssystem wird oft von ehemals geflüchteten Menschen am Laufen gehalten: Über 5.000 syrische Ärztinnen und Ärzte sichern momentan die medizinische Versorgung in deutschen Krankenhäusern.
Thomas Rink weiß aus vielen Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern, dass diese Zahlen und Fakten in der Öffentlichkeit immer wieder verdreht werden. „Da ist zum Beispiel Friedrich Merz, der behauptet, dass Geflüchtete sich auf Kosten der Steuerzahler die Zähne sanieren lassen. Dabei stehen ihnen bloß Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu, die ausschließlich die absolut notwendige Basisversorgung zulassen“, erklärt Rink, der dem unter Gerhard Schröder eingeführten Hartz-IV-Regime ein fragwürdiges Menschenbild attestiert. „Viele Menschen fallen durch das System, sie fallen durch jedes Raster, denn Menschen sind nicht faul, sie wollen arbeiten“, was ein weiterer Blick in die Statistik bestätigt:
Weniger als 1% der Bürgergeld-Empfänger*innen wurden 2023 sanktioniert, weil sie eine Arbeit oder Ausbildung abgelehnt haben. „Die übrigen haben Schwierigkeiten, einen Job zu finden, weil sie keine Kinderbetreuung haben, Angehörige pflegen oder eine Krankheit haben“, erklärt Aeffner. „Darum sollten wir anfangen, wieder mehr auf das Individuum und seine Fähigkeiten zu schauen, denn so könnten Menschen wesentlich zielgerichteter ins Arbeitssystem zurückfinden“, fordert Thomas Rink, der die Initiativen der Grünen Bundestagsfraktion zum Bürgergeld und zur Kindergrundsicherung als Schritt in die richtige Richtung sieht, um Kinderarmut zu bekämpfen.
„Wie kann man eigentlich diese Fakten kommunizieren, dass sie alle verstehen? Wie kann man diese Argumente auf der Straße verständlich rüberbringen“, fragte ein Bürger in der anschließenden Diskussion. Laut Thomas Rink und Stephanie Aeffner sei das in vielen Fällen überhaupt nicht gewünscht. Stimmungsmache gegen Geflüchtete aus der Ukraine und anderen Ländern, gegen Arbeitslose, gegen alte Menschen oder Menschen mit Behinderungen seien mittlerweile auf der Tagesordnung.
„Es handelt sich dabei bereits um eine Form der ‚hybriden Kriegsführung‘, die gezielt eingesetzt wird, um das System von innen heraus zu schwächen“, stellt Aeffner fest. Falschmeldungen werden zum Beispiel in Russland entwickelt und dann über die Sozialen Medien geteilt. Friedrich Merz verbreitete die Fakenews von ukrainischen Sozialtourist*innen, was eine Verhöhnung derjenigen ist, die vor Putins brutalem Krieg geflohen sind. Dabei hatte diese Falschmeldung ihren Ursprung auf russischen Telegram-Kanälen. Dahinter steht die konkrete Absicht, unsere Demokratie zu destabilisieren“. Darum springen auch zuerst die demokratiefeindlichen Parteien wie die AfD auf diese Fake News an, die dann durch zahllose Wiederholungen auch in andere Gruppen einsickern.
Gerechtigkeit war in der weiteren Diskussion das Leitwort, um das sich alles drehte. Egal, ob bezahlbares Wohnen, Sozialleistungen oder Bildungsgerechtigkeit, „Wenn wir jetzt investieren, zum Beispiel in die Bildung der jungen Generation oder in die Verminderung von Armut, dann leisten wir einen riesigen Beitrag für unser Land“, stellte eine Teilnehmerin fest. Und über allem steht die Frage, wie wir unsere Demokratie bewahren wollen, in dem unser Sozialstaat eine tragende Rolle spielt. „Wir Grünen kämpfen weiter für ein Leben, das bezahlbar ist und für die Sanierung von Kitas und Schulen. Das sind beste Investitionen in unsere Zukunft, die sich rechnen und unseren Sozialstaat als einen Grundpfeiler unserer Demokratie stärken“, so Aeffner und Rink zum Abschluss.